Das Berücksichtigungsgebot des Klimaschutzgesetzes (KSG) verlangt im Rahmen von Plan- und Genehmigungsverfahren für Bundesfernstraßen die Ermittlung der CO2-relevanten Auswirkungen des Vorhabens und der resultierenden Folgen auf die Klimaschutzziele. Hierbei sind drei maßgebliche Sektoren zu berücksichtigen:
- CO2-Emissionen des Verkehrs,
- CO2-Lebenszyklusemissionen (Bau und Betrieb der Verkehrsanlagen),
- Landnutzungsänderung (Auswirkungen auf CO2-Senken durch vorhabenbedingte Nutzungsänderung).
Verkehrliche Grundlagen
Eine maßgebliche Eingangsgröße für die Wirkung von Neubaumaßnahmen im Netz der Bundesfernstraßen auf das Klima stellt die Prognose der Verkehrsbelastungen dar. Für die Dimensionierung und die Durchführung von Plan- und Genehmigungsverfahren werden zumeist spezifische Projektprognosen erstellt. Da aus Gründen der Verfahrenssicherheit in einem Genehmigungsverfahren nicht unterschiedliche Prognosen genutzt werden sollten, ist die zugehörige Projektprognose unter bestimmten Voraussetzungen die sachgerechte Grundlage für die Bilanzierung von Klimawirkungen.
Eine sachgerechte Bilanzierung umweltrelevanter Wirkungen von Maßnahmen erfordert neben den Festlegungen zur Projektprognose auch die Festlegung eines oder ggf. mehrerer maßgebender Vergleichsfälle. Bei kleineren bedarfsplanrelevanten Einzelvorhaben im Netz der Bundesfernstraßen in Insellage ergibt sich der maßgebende Vergleichsfall aus der Deaktivierung der Maßnahme in der Projektprognose. Da sich hieraus die verkehrliche Wirkung der Maßnahme ableitet, ist ein solcher Vergleichsfall zumeist Bestandteil der dem Plan- und Genehmigungsverfahren zugrunde liegenden Verkehrsuntersuchung. Bei komplexeren Maßnahmen sind die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Maßnahmen auch bei der Klimabilanz sachgerecht zu berücksichtigen. Im Rahmen der Bedarfsplanung des Bundes werden Einzelmaßnahmen zu Hauptprojekten gebündelt, wenn sie die relevanten raumordnerischen oder verkehrlichen Defizite nur über ihre Gesamtwirkung beheben.
CO2-Emissionen des Verkehrs
Anhand der eingeführten Bewertungsmethodik des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP 2030) lassen sich CO2-relevante Auswirkungen eines Vorhabens auf der generalisierten Betrachtungsebene der Bundesverkehrswegeplanung bilanzieren und monetarisieren. Für den durch das Vorhaben veränderten Verkehr und seine Wirkung auf die CO2-Bilanz werden entsprechend der Methodik des BVWP ein prognostischer Bezugsfall (ohne das zu genehmigende Vorhaben) und ein Planfall (mit dem zu genehmigenden Vorhaben) miteinander verglichen.
Für jedes Netzelement des Instrumentariums der Bedarfsplanung des Bundes werden rechnergestützt die Belastungen der verschiedenen Fahrzeugarten ermittelt, mit dem im Verfahren über Ganglinien generierten Verkehrszustand für jede Stunde des Jahres überlagert und generalisierten Straßentypen zugeordnet. Hierbei werden die Verkehrsprognosen der in das Plan- und Genehmigungsverfahren eingeführten Projektprognosen genutzt (keine Nutzung der Bewertungen des BVWP 2030). Entsprechend dem Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) kann auf dieser Grundlage die Gesamt-CO2-Emission der beiden Netzfälle ermittelt und überlagert werden. Aktuell erfolgt dies auf Grundlage des HBEFA 3.2. Eine Umstellung der Algorithmen auf das 2022 eingeführte HBEFA 4.2 ist noch nicht abgeschlossen.
Im Zuge von Plan- und Genehmigungsverfahren für Teilabschnitte größerer Maßnahmen (z.B. Autobahnen oder der komplexe Ausbau ganzer Straßenzüge) wird die CO2-Bilanz zumeist für das Gesamtvorhaben ermittelt und über den Anteil der Fahrleistung des Teilabschnittes am Gesamtvorhaben dem Einzelverfahren zugewiesen. Hierdurch wird eine unsachgemäße Verzerrung der Bilanz vermieden, die z.B. durch baubedingt notwendige Verkehrsumleitungen entstehen kann.
CO2-Lebenszyklusemissionen
Entsprechend der eingeführten Bewertungsmethodik des BVWP werden die Treibhausgas-Emissionen aus Erstinvestitionen, Reinvestitionen und Streckenunterhaltung Betrieb der zu bewertenden Infrastrukturmaßnahme ermittelt. Die vorhabenbezogenen Lebenszyklusemissionen werden aus den maßgebenden Straßenflächen einzelner Anlagenteile ermittelt (z.B. mittels standardisierter CO2-Emissionsparameter für Bau und Betrieb). Hierbei sind die aktuellen Handlungshinweise des Bundesverkehrsministeriums zu berücksichtigen (Hinweise zur Berücksichtigung der großräumigen Klimawirkungen in der Vorhabenzulassung), die auch Komponenten wie Straßenausstattung und Unterhaltung/Betrieb der Verkehrsanlagen beinhalten.
Bewertung der Klimawirkung
Zur Einordnung der Bilanz erfolgt ein Abgleich mit den zulässigen Jahresemissionsmengen entsprechend § 4 KSG, Anlage 2. Danach beläuft sich die zulässige jährliche Emissionsmenge im Verkehrssektor im Jahr 2020 auf 118 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Der dort festgelegte Reduktionspfad schreibt vor, dass die jährliche Emissionsmenge bis zum Jahr 2030 auf 85 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent zu reduzieren ist.
22. November 2022