1. Anlass und Aufgabe
Als eine der Grundlagen für die Anmeldung von Autobahnbauprojekten für den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2015 hat IVV-Aachen eine Engpassanalyse für das Bundesautobahnnetz 2015 erarbeitet.
Betrachtet wurden bei den Untersuchungen nicht nur alle baulichen, sondern auch die betriebliche Ausstattung der Autobahnstrecken.
Die zugrunde gelegte Verkehrsnachfrage bezieht sich auf das Jahr 2025 und basiert auf der Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 20251.
2. Methodisches Vorgehen
Der generelle Untersuchungsansatz der Engpassanalyse für Bundesautobahnen2 besteht aus netzabschnittsbezogenen Gegenüberstellungen von Verkehrsmengen und Leistungsfähigkeiten, unter Berücksichtigung der spezifischen Verkehrssituation (Warteschlangenansatz).
Die Verkehrsmengen wurden aus den Ergebnissen bundesweiter Prognose-Netzberechnungen abgeleitet und mit Hilfe netzabschnittsbezogener Ganglinientypen des Verkehrsgeschehens für jeden Streckenabschnitt, für jede Richtung und für 365 Tage x 24 Stunden/Tag (= 8.760 Stunden eines Jahres) berechnet.
Die Leistungsfähigkeiten der Netzabschnitte wurden auf der Grundlage des Handbuches für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS)3 individuell für jede Richtungsstrecke bestimmt, wobei als Basis folgende mittlere Grenzwerte der Leistungsfähigkeit zugrunde gelegt wurden (Bezug: Steigung bis 2% und Schwerverkehrs-Anteil 20 %)
4-streifige BAB: 3.500 Kfz pro Stunde und Richtung, bzw. ca. 84.000 Kfz pro Tag und Querschnitt
6-streifige BAB: 5.000 Kfz pro Stunde und Richtung, bzw. ca. 120.000 Kfz pro Tag und Querschnitt
8-streifige BAB: 6.400 Kfz pro Stunde und Richtung, bzw. ca. 154.000 Kfz pro Tag und Querschnitt
Die vorstehenden, für den heutigen Zustand geltenden Mittelwerte der Leistungsfähigkeit wurden für den Prognose-Zustand um 10% angehoben, um die fortschreitende technische Entwicklung bei den Fahrzeugen (z.B. Adaptive Geschwindigkeitsregelung (ACC), Bremsassistent, usw.) pauschal mit zu berücksichtigen.
Die Mittelwerte der Leistungsfähigkeit wurden unter Berücksichtigung folgender Informationen weiter differenziert:
- Querschnittstyp (z.B. mit/ohne Randstreifen),
- Ausstattung mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen (VBA),
- Sicht- und Witterungszustände (hell/dunkel, trocken/nass),
- Lagekategorie (Verdichtungsräume/ländliche Räume),
- Steigungs- bzw. Gefällesituation sowie
- Anteil des Schwerverkehrs
Unter Nutzung der Verkehrsstärke-Geschwindigkeits-Funktionen ergibt sich aus der Verkehrsmenge für jede Stunde des Jahres eine mittlere Verkehrsgeschwindigkeit, auf deren Grundlage die Auslastungssituation bestimmt wurde. Mit diesem Ansatz ließen sich für jede Richtungsstrecke die Anzahl der jährlichen Stunden mit Überlastungserscheinungen (Überlastungsstunden) ermitteln.
Verkehrssituationen mit Überlastungserscheinungen führen nicht immer und nicht zwangsläufig zum Stau. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass Überlastungssituationen mit zunehmender Überschreitung der theoretischen Kapazitätsgrenzen auch zunehmend zu Staus führen. Diesem Ansatz folgend, wurden für die Netzabschnitte mit besonders hoher Anzahl von Überlastungsstunden (>100 bzw. > 300 Überlastungsstunden pro Jahr) über eine Sensitivitätsberechnung auch die jeweiligen Überlastungsgrade ermittelt.
Hinsichtlich der Ausstattung der Netzabschnitte mit realisierte und z.Zt. geplanten Verkehrsbeeinflussungsanlagen VBA) wurden bei der Bestimmung der Leistungsfähigkeiten
- Streckenbeeinflussungsanlagen (SBA),
- Zufluss-Regelungs-Anlagen an Autobahnauffahrten (ZRA) und
- temporäre Seitenstreifenfreigaben (TSF)
mit berücksichtigt. Hierbei wurden im Rechenprozess die Leistungsfähigkeitswerte der mit VBA ausgestatteten Netzabschnitte erhöht, was für den Streckenabschnitt zu Reduktionen der Überlastungsstunden und damit auch der Stauwahrscheinlichkeiten führt.
Eine Übersicht des Untersuchungsablaufes der Engpassanalyse für BAB vermittelt das Ablaufdiagramm in Bild 1.
3. Ergebnisse
Im Ergebnis der durchgeführten Engpassanalysen lagen zunächst sehr differenzierte Informationen für mehr oder weniger lange Teilstrecken bzw. kleinere und größere Zeiträume mit Grenzwertüberschreitungen (Anzahl Überlastungsstunden pro Jahr) vor.
Um die differenzierten Ergebnisse zu überschaubaren Informationen zu verdichten, wurden Relevanzschwellen von 100 und 300 Überlastungsstunden pro Jahr festgelegt, ab der im Weiteren die Engpasssituationen definiert sind.
Diese unterschiedlichen Stufen der Stauwahrscheinlichkeit wurden als
- gelegentliche, kapazitätsabhängige Staugefahren (> 100 bis 300 Stunden pro Jahr) bzw.
- häufiger, kapazitätsabhängige Staugefahr(> 300 Stunden pro Jahr) bezeichnet.
Hinsichtlich der räumlichen Abgrenzung wurden Stauwahrscheinlichkeiten für Richtungsstrecken mit u.U. sehr kurzen Teilabschnitten ermittelt und zu Abschnitten zwischen 2 Netzknoten (Anschlussstelle (AS), Autobahndreieck (AD) oder Autobahnkreuz (AK)) zusammengefasst. Für diese richtungsscharfen Abschnitte wurde nur dann eine Staugefahr ausgewiesen, wenn Überlastungen für mehr als 50 % der Gesamtabschnittslänge nachgewiesen wurden. Damit wurden kürzere Engpassstrecken ausgeblendet. Darüber hinaus wurden die richtungsbezogenen Aussagen immer dann zu einer Querschnittsaussage zusammengefasst, wenn auf mindestens einer Richtungsstrecke Staugefahr nachgewiesen wurde.
Das Ergebnis der Engpassanalyse weist für das Bundesautobahnnetz 2015 mit der Verkehrsnachfrage 2025 das in Bild 2 angegebene Längenergebnis aus.
Die Ergebnisse der Engpassanalyse 2015 sind als Kartendarstellung und tabellarisch dokumentiert. Die Karte ist in Bild 3 wiedergegeben.
- ITP, BVU: Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025, München, Freiburg 2007; Erstellt im Auftrage des BMVBS
- Ingenieurgruppe IVV, Brilon Bondzio Weiser, Ingenieurgesellschaft für Verkehrswesen mbH: Engpassuntersuchung für das BAB-Netz / Stufe II (FE-Nr. 26.139/1999), Aachen, Bochum 2004
- HBS: Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen 2009, FGSV (Herausgeber)
5. Februar 2013