Konzept zur Führung der Pilgerströme für den Bereich der Jamarat-Brücke in Mekka: IVV Aachen

Jedes Jahr reisen über 3 Mio. muslimische Pilger nach Mekka, wo sie über einen Zeitraum von mehreren Tagen anlässlich der Hadsch unterschiedliche rituelle Handlungen vollziehen. Schwerpunkte dabei sind die Kaabah in Mekka, der Aufenthalt am Berg Arafat und die rituelle Teufelssteinigung in Mina. Bei der Teufelssteinigung muss jeder Pilger an drei Tagen jeweils an drei Säulen, die den Teufel symbolisieren, vorbeigehen und sieben Steine, die auf dem Weg vom Berg Arafat gesammelt wurden, auf die Säulen werfen. Um die riesige Menschenmenge von 3 Mio. Personen je Tag an den Säulen bewältigen zu können, hat die Regierung von Saudi-Arabien schon vor vielen Jahren eine sog. Brücke gebaut, bei der die Säulen in der Mitte der "Fahrbahn" liegen und die Pilger somit in 2 Etagen links oder rechts an den Säulen vorbeigehen können. Gerade im Umfeld dieses Bauwerkes ist es in früheren Jahren immer wieder zu schweren Unfallen durch Massenpaniken mit mehreren Hundert Toten gekommen. Deshalb wurde im Jahr 2006 die alte Brücke abgerissen und mit der Errichtung eines neuen Bauwerks begonnen, in dem nach der Fertigstellung Ende 2009 die rituelle Steinigung auf insgesamt 5 Etagen vollzogen werden kann.

Der Bauablauf gliedert sich in drei große Teilabschnitte:

zur Hadsch Dezember 2006: Abriss der alten Brücke und Fertigstellung von Kellergeschoss, Erdgeschoss und erster Etage
zur Hadsch Dezember 2007: Fertigstellung der zweiten Etage
zur Hadsch Dezember 2008: Fertigstellung der dritten Etage
zur Hadsch Dezember 2009: Fertigstellung der vierten Etage.

Dies bedeutet, dass in den verschiedenen Jahren jeweils andere Teilsysteme von den Pilgerströmen genutzt werden können.

Die Ingenieurgruppe IVV wurde vom Ministerium für Stadt- und Regionalentwicklung des Königreichs Saudi-Arabien beauftragt, für die unterschiedlichen Zustände des Bauwerks die Führung der Pilgerströme im Umfeld des Bauwerkes zu planen, damit kritische Situationen durch sich kreuzende Pilgermassen und Gedrängesituationen möglichst vermieden werden.

Im Laufe des Jahres 2006 hat IVV in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen in Saudi-Arabien (Ministerien, Polizei, Katastrophenschutz, Rettungskräfte, kommunale Vertreter, Forscher der Uni Dresden sowie der örtlichen Planungsfirma Dar Al-Handasah) ein Wege-Konzept für das Umfeld der Brücke entwickelt, mit dem die Pilger das Erdgeschoss und die fertig gestellte erste Etage des Bauwerks so nutzen konnten, dass sich die Pilgerströme nicht kreuzen oder entgegengesetzt verlaufen. Es wurde im Prinzip ein System von riesigen Einbahnstraßen für Fußgänger entwickelt und die zur Umsetzung notwendigen Arbeitsschritte wie Leistungsfähigkeitsberechnungen oder Planung von Rettungswegen und flexiblen Zaunsystemen durchgeführt. Darüber hinaus wurden ein Grobkonzept für die Wegweisung sowie Sperr- und Umleitungsszenarien erarbeitet.

Obwohl sich die Kapazität des Bauwerks in der ersten Baustufe gegenüber dem früheren Zustand nicht erhöht hat, die Menge der Pilger aber nochmals zunahm, konnten die verantwortlichen Kräfte vor Ort mit Hilfe des neuen Wege-Konzeptes dafür sorgen, dass die rituelle Teufelssteinigung zum Ende des Jahres 2006 ohne größere Probleme abgelaufen ist.

Im Jahr 2007 und 2008 wurde das Wegesystem jeweils auf die Anforderungen durch die Fertigstellung der nächsten Etage verändert und räumlich erweitert. Planungen für ein Shuttle-Bus-System inkl. der notwendigen Bahnhöfe wurden aufgenommen. Für die Hadsch im Dezember 2007 und Dezember 2008 wurden von IVV wieder die Grundlagenplanungen für Pilgerwege, Rettungstrassen, Zaunsysteme und Umleitungsszenarien geliefert und von den zuständigen Stellen vor Ort umgesetzt. Dabei konnten die jeweils in den Vorjahren gemachten Erfahrungen und die "geübten" Kooperationen genutzt werden. Auch bei diesen Hadschs ist kein größerer Unfall verzeichnet worden.

Bereits einige Tage nach der Hadsch 2008 laufen die Planungen für die nächste (abschließende) Projektphase an.

2. Juni 2008